Pflanzliche Arzneimittel

Bedeutung der Heilpflanzen in den Kulturen


Das Wissen um die Heilkraft von Pflanzen mit ihren Wirkstoffen zur Linderung und Heilung von Krankheiten ist ein Wissen, das in vielen Kulturen bis heute gepflegt wird. Bis in das 19.Jhd. hinein wurden pflanzliche Heilmittel hauptsächlich zur Linderung von Beschwerden verwendet. Es war vor allem die mittelalterliche Klostermedizin, die sich um Kranke in Europa sorgte und das vielfältige Wissen über die Heilpflanzen sammelte. So entstand bereits im 800 Jahrhundert n.Chr. das bekannte Lorscher Arzneibuch mit seiner umfangreichen Sammlung.

Mit der Begründung der Naturwissenschaften wurde versucht die durch eigene Erfahrungen und Beobachtungen gemachten Ergebnisse systematisch zu erfassen. So entstand eine bis heute gültige Nomenklatur von Pflanzen. Mithilfe neuer Verfahren der organischen Chemie konnten auch Inhaltsstoffe und Wirkweisen der Arzneipflanzen genauer untersucht werden.

Pflanzliche Inhaltsstoffe


Pflanzeninhaltsstoffe sind organisch-chemische Substanzen, die biologische Wirkungen im Körper hervorrufen können. Die besonders stark wirkenden Pflanzinhaltsstoffe wurden isoliert und danach chemisch modifiziert. So konnten sie ihre Wirkungen intensiver entfalten und wurden für Patienten verträglicher. Die Pharmakologie erforscht die Wechselwirkungen der in den Heilpflanzen enthaltenen chemischen Stoffe und ihren Einfluss auf Krankheiten.
Die Arzneimitteltherapie und -forschungen gehen davon aus, dass Arzneistoffe eine bestimmte Zielstruktur, wie beispielsweise einen Rezeptor binden und dadurch ihre Wirkung entfalten.

Neben diesen Verfahren der Isolierung starker Pflanzenwirkstoffe, entwickelte sich die Heilkräuterkunde zur Phytotherapie. Phytotherapie versteht sich als ein Teil der naturwissenschaftlichen Medizin und erforscht Heilpflanzen und ihre Vielstoffgemische (Extrakte, Pflanzen und Pflanzenteile). Sie ist klar von den alternativen Behandlungsmethoden (esoterische Ansätze wie die Homöopathie, Anthroposophie, der Spagyrik und Bach-Blüten-Therapie) abzugrenzen.

Prüfung und Zulassung


Ein pflanzliches Arzneimittel (Phytopharmakon) unterliegt genau denselben Kriterien und Prüfungsstandards, wie sie bei chemisch-synthetischen Arzneistoffen üblich sind. Es gelten die eindeutig festgelegten Forderungen des Arzneimittelgesetzes hinsichtlich hoher Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit.

Beliebt bei Patienten und Patientinnen


Viele Patienten und Patientinnen greifen gerne zu pflanzlichen Arzneimitteln, da diese vergleichsweise mild wirken und als verträglicher empfunden werden. Der überwiegend große Teil dieser OTC (englisch: Over the counter, dt.: über den Apothekenthresen) ist rezeptfrei.

Besonders Schwangere, Stillende und Kinder sollten ohne vorherige ärztliche Beratung freiverkäufliche Arzneimittel nicht anwenden.

Natürliche Rohstoffquelle


Es gelten rechtliche Vereinbarungen, um den natürlichen Rohstoff für ein Phytopharmakon zu gewinnen. Um eine gute Qualität einer Heilpflanze zu erhalten, achten Hersteller beim landwirtschaftlichen Anbau auf mehrere Aspekte. Zum Einen bestimmt eine gute Qualität die richtige Auswahl des Standortes mit guten klimatischen Bedingungen und Böden. Zum Anderen sind standardisierte Verfahren für den Anbau und die Ernte notwendig. Neben dem werden Heilpflanzen zunehmend aus Wildsammlungen angebaut, wenn der landwirtschaftliche Anbau schwer realisierbar ist.

Pflanzliche Arzneitees


Beliebt sind auch pflanzliche Arzneitees, wie zum Beispiel Kamillentee oder Pfefferminztee. Damit ein Tee auch als pflanzliche Droge durch das Europäische Arzneibuch zugelassen werden kann, muss es zunächst die hohen Qualitätsanforderungen bezüglich Identität, Reinheit und Gehalt erfüllen.

Herstellung


Die Herstellung eines pflanzlichen Arzneimittels ist sehr aufwendig. Heilpflanzen enthalten Extrakte (Auszüge) oder zerkleinerte, pulverisierte Drogen. Auszüge sind in flüssiger Form, wie beispielsweise Fluidextrakte und Tinkturen, oder in halbfester Form auch Dickextrakt genannt, oder aber fest in Form von Trockenextrakt.

Lösungsmittel


Damit die gewünschten Inhaltsstoffe auch aus der Pflanzensubstanz herausgelöst werden können, bedarf es organischer Lösungsmittel im Rahmen der Extraktion. Dazu zählen Ethanol-Wasser-Mischungen, sodann Methanol, Ethylacetat oder Aceton.
Da Fluidextrakte und Tinkturen direkt eingenommen werden, ist nur die Einnahme von Ethanol-Wasser-Mischungen gesetzlich erlaubt. Bei Trockenextrakten wird das Auszugsmittel vorher entfernt, ehe es zu einer Tablette oder Kapsel weiterverarbeitet wird.

Extrakt-Typen


Von den drei Typen von Extrakten ist beim standardisierten Extrakt-Typ der Stoff der Pflanze und die Stoffgruppe bekannt, die die Wirkung auf den menschlichen Körper ausmachen. Das bedeutet, dass bei einem standardisierten Extrakt auch die Isolierung des Wirkstoffes aus der Droge möglich ist und dieselbe Wirkung auf den Menschen erzeugt wie das Extrakt.

Bei einem quantifizierten Extrakt sind die mitauslösenden Stoffe bekannt, jedoch erfolgt nach der Isolierung des Wirkstoffes und bei der Testung am Patienten nicht die gleiche Wirkung wie beim gesamten Extrakt.

Zur Gruppe der anderen Extrakt-Typen zählen Extrakte, dessen Wirksamkeitsaulöser nicht bekannt sind.

Packungsangaben


Für Verbraucher dienen die Angaben auf der Packung und in der Packungsbeilage des pflanzlichen Arzneimittels als wichtige Informationsquelle, um den geeigneten Extrakt-Typ auswählen zu können.
Dazu zählen folgende Angaben:

  • genaue Mengenangabe und Art des Extrakts
  • welche Droge verwendet wurde (Pflanze und Pflanzenteil)
  • in welcher Art und Konzentration das Auszugsmittel vorliegt
  • welche Droge-Extrakt-Verhältnis besteht

Je nach Extrakt-Typ gehört die Angabe der Substanzen dazu, auf die standardisiert oder quantifiziert wurde.

Quellen:
Fürst, Robert: „Pflanzliche Arzneimittel – was wirklich hilft“

Schilcher, H., Kammerer, S., Wegener, T.: „Leitfaden Phytotherapie“, 4. Auflage, Elsevier, München